Vom Stempelmacher zum Spezialisten für Fahrrad- und Autoschilder

Die Kennzeichnung deutscher Niederräder mit Markenschildern und Herstellerbezeichnungen erfolgte vor 1896 durch Abziehbilder am Steuerkopf oder an den Rahmenrohren. Da diese Abziehbilder nicht sehr haltbar waren, kamen in Deutschland nach 1896 Metallschilder zur Anwendung. Die in der Anfangszeit kleinen Stückzahlen wurden durch Gravieren oder Einschlagen von Buchstaben hergestellt. Mit der einsetzenden Massenproduktion nach 1896 wurden die Steuerkopfschilder dann durch Ätzen oder Prägen produziert. Später kommen auch die Verfahren des  Emaillierens und des Bedruckens zur Anwendung. 

In Brandenburg entstanden in den 1890er Jahren neben den schon bestehenden Brennabor-Werken sechs weitere Fahrradwerke (1892 Corona, 1895 Kondor und Roland, 1896 Alexander und Excelsior sowie 1897 Brandenburgia). Zusätzlich gab es noch einige Kleinhersteller von Fahrrädern in der Stadt.

Das Brandenburger Adressbuch von 1892 benennt in der Hauptstraße 51 die Firma Richard Müncheberg, welche Metallschablonen für Wäschestickerei und Kautschukstempel herstellte sowie auch Gravier- und Prägearbeiten ausführte. 

 

Schablonen für Stickerei

Kautschukstempel

Petschaft (Siegelstempel)

Werbeannonce


Der hohe Bedarf an Steuerkopfschildern für Fahrräder durch die Vielzahl der in Brandenburg ansässigen Fahrradfirmen führte zur Spezialisierung der Firma Müncheberg auf die Herstellung solcher Schilder. 

In den folgenden Jahren produzierte die Firma auch Kleinteile für Fahrräder, wie Öler für Radnaben und Tretlager, Netzquadranten zur Befestigung von Rocknetzen an der Hinterradachse sowie Nippelplättchen für Speichen und Unterlegscheiben.

 

Annonce

Netzquadranten

Klapp- und Helmöler, 

Nippelplättchen

Steuerkopfschild


 

 

 

 

 

Das Brandenburger Adressbuch von 1911 nennt die Hauptstraße 37 als Firmen- und Wohnsitz von Richard Müncheberg.

Einer Annonce von 1926 ist der größte Produktionsumfang der Firma Müncheberg zu entnehmen. 

In dieser wird für Kühlerplaketten und Schilder geworben, die für Automobile zahlreicher bekannter Automobilhersteller als Erweiterung  im Produktionssortiment enthalten waren.

Die Werbeannoncen der Firma Müncheberg für Fahrrad-und Automobilschilder sowie Kleinteile finden sich ausschließlich in der entsprechenden Fachpresse.

 


Bedingt durch die Weltwirtschaftskrise von 1929-1932 gingen die Produktionszahlen für Automobile und Fahrräder stark zurück. Die Automobilabteilung der Brennabor-Werke zum Beispiel musste ihre Produktion einstellen, sie wurde auch nicht wieder aufgenommen. Die Auswirkungen der Weltwirschaftskrise führten offenbar auch zu einer erheblichen Verringerung der Produktion der Firma Müncheberg und schließlich zur  Übernahme eines Teiles der Produktionsräume durch andere Firmen. 

So werden im Brandenburger Adressbuch von 1936/37 in der Hauptstraße 37 der Firmensitz der „Deutschen Orthopädischen Werke GmbH“ und die Gravieranstalt von W. Lummitsch genannt.  

Dieser war dann zu DDR-Zeiten in der Kurstraße mit seiner Firma ansässig.

Der Name der Witwe M. Müncheberg ist dort ebenfalls verzeichnet. In einem kleinen Umfang wurde vermutlich durch die Witwe M. Müncheberg die Fahrradschilderproduktion weitergeführt. 

Im „Radmarkt“,  der Fachzeitschrift für Fahrradhändler und Hersteller, zeigt eine Annonce 1940 ein sehr umfangreiches Sortiment von Steuerkopfschildern, die die  Firma Müncheberg herstellte, auch für ausländische Fahrradhersteller wurden Schilder gefertigt.

In dieser Annonce wird auch auf das 50-jährige Bestehen der Firma Müncheberg hingewiesen.

 


Produktionszahlen und Beschäftigtenzahlen der Firma Müncheberg sind nicht bekannt. Ebenfalls ist die Geschichte der Firma nach 1945 bisher nicht aufgearbeitet. 

Der ehemalige Firmensitz der Firma Müncheberg in der Hauptstraße 37 ist erhalten geblieben, erkennbar ist diesen Haus an dem prägnanten Ziergiebel.

Im 2.Weltkrieg wurden die Nachbargebäude in der Hauptstraße 34 bis 36 offenbar stark zerstört. Noch heute befindet sich hier eine Baulücke zwischen dem ehemaligen Hotel Nr. 38 an der Jahrtausend-Brücke und dem Eckhaus (Hauptstraße Nr. 33a).