Der Abschnitt "Aus der Geschichte der Excelsior-Fahrradwerke II" wurde erstellt unter Verwendung wesentlicher

Textabschnitte, insbesondere der technischen Beschreibungen, und Bildmaterial aus: "Heimatkundliche Blätter", Heft 57, 2022, Motorradproduktion der Excelsior-Fahrrad-Werke von Mario Steinbrink IG-Brennabor.

Aus der Geschichte der Excelsior- Fahrradwerke II

Neben Fahrrädern und Fahrradteilen wurden in den Excelsior-Werken auch Motorräder produziert.  Auf der deutschen Automobilausstellung im März 1903 in Berlin stellte die Firma erstmals ihr Motorzweirad vor. Die Excelsior- Werke verwendeten anfangs Einbaumotoren der belgischen Firma F.N. (Fabrique National, Herstal bei Lüttich), ab Herbst 1903 wurden dann Einbaumotoren der Firma Fafnir aus Aachen verwendet.

1904

1903

Brandenburger Anzeiger 25.05.1904


Die Schmierung der Motoren war eine aufwändige Prozedur. In regelmäßigen Intervallen, alle 15-20 km, musste eine Handpumpe betätigt werden. Sie förderte das Öl aus dem Ölbehälter, der in den Tank integriert war, und gab es tropfenweise in das Kurbelgehäuse ab. Mit dem Modell 1906 wurde der Ölbehälter vom Benzintank getrennt und befand sich nun auf dem oberen Rahmenrohr. So konnte der Fahrer, ohne absteigen zu müssen, die Schmierölpumpe während der Fahrt betätigen. Gleichzeitig konnte durch diese Anordnung der Ölvorrat jederzeit kontrolliert werden.

Der lange Radstand und der weit nach hinten gerückte Sattel erforderten einen entsprechend nach hinten gezogenen Lenker, der zudem noch ausladend geschwungen war, um so den notwendigen Freiraum zu schaffen, um die Bedienhebel und die Ölpumpe auf der Tankoberfläche betätigen zu können.

Mit den Motorrädern waren Geschwindigkeiten von 50 - 60 km/h erreichbar. Dazu brauchte der Fahrer aber auf den meist unbefestigten Straßen und Wegen einigen Mut. Zudem wurde die Fahrt mit den ungefederten Fahrzeugen bald zur Tortur und Reisen über weite Strecken blieben daher die Ausnahme. 

 


Die Excelsior-Werke beteiligten sich nicht am Fahrradrennsport, obwohl dies in der Branche weit verbreitet und natürlich sehr werbewirksam war. Anders als bei Corona und Brennabor wurden auch keine Tandem-oder Transportmotorräder sowie keine Schrittmachermotorräder hergestellt.

Während es um 1905 mit der Entwicklung im Automobilbau mit großen Schritten voran ging, geriet der Aufschwung bei den Motorrädern ins Stocken. Der Markt war gesättigt, die Maschinen nicht ausgereift und somit störanfällig. Insbesondere die Motorentechnik erforderte viel technisches Verständnis. Die Excelsior-Werke gaben 1907 daher einen 40seitigen Prospekt heraus, der nur den Aufbau und die Bedienung des Motors zum Inhalt hatte. Motorräder galten als teures technisches Spielzeug und viele Firmen gaben den Motorradbau wieder auf. So auch 1908 die Excelsior-Werke.

 


Nach 1908 konzentrierten sich die Excelsior-Werke ausschließlich auf den Bau von Fahrrädern und Fahrradteilen. Die Annoncen von 1906 bis 1909 zeigen eine stete Aufwärtsentwicklung der Produktionszahlen. In der Annonce von 1909 wird die Produktion von Motorrädern nicht mehr genannt. Die Kataloge von 1913 und 1914 weisen bereits Produktionszahlen von je 70.000 Fahrrädern jährlich bei einer Beschäftigtenzahl von 800 Arbeitern aus. Der Höchststand der Beschäftigtenzahl wurde 1927 mit 1500 Arbeitern erreicht. Von 1896 bis 1926 wurden nach Firmenangaben 1.250.000 Fahrräder hergestellt.

1906

1907

1909

1913


Im Geschäftsbericht der Excelsior-AG von 1913 werden Angaben über Zukunftspläne gemacht. Demnach wurde die Herstellung von Schreibmaschinen im größeren Umfang vorbereitet. Ob jemals eine Produktion aufgenommen wurde, ist bisher unbekannt.

 

Jahrbuch Freie Gewerkschaften 1913

Deutscher Metallarbeiterverband,

Verwaltungsstelle Brandenburg(Havel) Geschäftsbericht 1913

(gedruckt 1914)


Mit Beginn des ersten Weltkrieges erfolgte die Umstellung der Produktion auf Kriegsmaterial. Insbesondere Granaten wurden in großen Stückzahlen gefertigt. Diese befüllte man dann in einem gesonderten Füllwerk, das sich in Baracken auf den Wiesen hinter dem Hauptbahnhof  befand, mit Pulver. Das Füllwerk war von den Brennabor-Werken eingerichtet worden. Hier wurden die von den Brandenburger Betrieben hergestellten Granaten befüllt (Brennabor, Excelsior, Corona, Schiffswerft Wiemann, Elisabethhütte Krüger, Landmaschinenfabrik Richter).

1915 wurde in Kirchmöser eine Pulverfabrik gebaut. 

Die zum Militärdienst eingezogenen Arbeitskräfte mussten zur Aufrechterhaltung der Produktion ersetzt werden und so wurden im Brandenburger Anzeiger entsprechende Annoncen durch die Excelsior-Werke veröffentlicht. Vornehmlich bis dahin nicht berufstätige Frauen übernahmen die Arbeitsplätze der eingezogenen Männer.

 

Brandenburger Anzeiger

16.10.1914

Brandenburger Anzeiger

24.11.1915

Brandenburger Anzeiger 24.02.1915

Brandenburger Anzeiger 05.01.1919

Brandenburger Anzeiger 

09.6.1915

Brandenburger Anzeiger 23.08.1916

Brandenburger Anzeiger 13.08.1915


Anfang der 1920er Jahre gab es einen Aufschwung in der deutschen Motorradproduktion. Die Excelsior-Werke nahmen aber zu dieser Zeit die Produktion von Motorrädern nicht wieder auf. 

Obwohl sich das Werk durch die Weltwirtschaftskrise bereits in wirtschaftlicher Schieflage befand, startete Excelsior aber dann doch Mitte Februar 1929 einen zweiten Anlauf. Grund dafür dürfte die Hoffnung auf großen Absatz von Motorrädern durch die Novellierung der KFZ-Steuer vom 1.4.1928 gewesen sein. Die ungleiche Besteuerung von Zwei-und Viertaktmotorrädern wurde aufgehoben, es gab jetzt eine Hubraumsteuer. Entscheidend für die Gewinnung neuer Kunden war die Führerscheinbefreiung und Steuerfreiheit für Motorräder bis 200ccm. Den neuen Zulassungsbedingungen entsprechend und in der Hoffnung auf neue Käuferschichten wurde zuerst ein 200ccm Viertaktmotorrad in Touren -und Sportversion produziert. Es folgten dann ein 300ccm Tourenmodell und ein 350ccm Sportmodell. Die Motoren wurden von J.A.P. aus London bezogen (Firma John Alfred Prestwich), die Getriebe von der Firma Burmann aus Birmingham. Das Foto zeigt die Präsentation der tausendsten Maschine vor Mitarbeitern und der Firmenleitung. Die Annonce, welche die Brandenburger Händler benennt, die die neuen Modelle verkauften, stammt aus dem Brandenburger Anzeiger vom 27.04.1929. Der Text in Sütterlin-Schrift (damals gebräuchliche Schreibschrift) in der Annonce von 1930 lautet: „...begeistern selbst den anspruchvollsten Fahrer".

Die technischen Daten der Motorräder sind im nachfolgenden Prospekt ersichtlich.

 

Brandenburger Anzeiger Februar 1929

Brandenburger Anzeiger

März 1929

Brandenburger Anzeiger

26.04.1929

 

 

Brandenburger Anzeiger

17.05.1930


Im Zeitraum von 1929 bis 1931 wurden ca. 5.000 Motorräder hergestellt. Für die Jahre von1903-1908 sind keine Zahlen bekannt.

Die Weltwirtschaftskrise fügte den Excelsior-Werken schwere wirtschaftliche Rückschläge zu, die zur Entlassung zahlreicher Mitarbeiter führten. 1929 waren nur noch 320 Beschäftigte angestellt, während es1927  noch 1500 gewesen waren. Für das Jahr 1929 wurde ein Verlust von 989.942 RM ausgewiesen, 1930 stieg der Verlust auf 1.589.848 RM. Selbst durch massive Preisnachlässe konnten die wirtschaftlich notwendigen Produktionszahlen nicht erreicht werden. 1931 kostete das 200ccm-Tourenmodell 760 RM, 1932 waren es nur noch 490 RM.

Die Excelsior-Werke suchten nach neuen Wegen aus der Krise, da auch die Umsätze bei den hochwertigen Markenfahrrädern stark eingebrochen waren. Mit der Hoffnung auf neue Käuferschichten, vor allem in der Landbevölkerung, brachten die Excelsior-Werke als einer der der ersten Hersteller in Deutschland Anfang 1931 Motorfahrräder mit Einbaumotoren der Firma Fichtel & Sachs aus Schweinfurt auf den Markt. 

Am 23.04.1931 verließ schon das eintausendste Motorfahrrad das Werk. Die Produktion stieg auf zunächst 30 Maschinen pro Tag, da die Mofas in der Anschaffung für die Kunden erschwinglich waren und sich gut verkauften.

 

Die Aufnahme der Motorrad- und Motorfahrradproduktion erwies sich nicht als der erhoffte Ausweg aus der Krise und die Verluste stiegen weiter an. Daher wurde am 15.09.1931 die Liquidation der Excelsior-AG beantragt. Die Liquidationseröffnungsbilanz wies einen Verlust von 2.916.163 RM aus. Auf der Generalversammlung am 23.03.1932 wurde ein neuer Aufsichtsrat gewählt. Um die Verluste nicht noch weiter steigen zu lassen, erfolgte am 31.03.1932 die komplette Einstellung der Produktion. 

Zuvor wurden Anfang 1932 noch neue Motorfahrradmodelle mit verstärktem Rahmen, stärkerer Federgabel und Ballonreifen produziert und erhielten jetzt eine Modellnummer. Modell Nr.1 war nun gegen Aufpreis mit einer Federgabel eigener Produktion lieferbar und erhielt daher die Modellbezeichnung Nr.2. Das Gepäckmotorfahrrad war nicht mehr im Programm.

Bis 1933 wurde die Excelsior-AG umorganisiert und als „Brandenburger Fahrrad- und Motorrad Werke Excelsior GmbH Brandenburg (Havel)“ weitergeführt.

An den Besitzverhältnissen hatte sich nichts Wesentliches geändert, da die Hauptanteile dieser Gesellschaft Dagmar Hensel gehörten, der Tochter des bisherigen Generaldirektors Franz Patz.

 


Die einsetzende Wirtschaftsbelebung nach 1933 führte auch wieder zur Produktionsaufnahme bei der Excelsior GmbH. Es ist ein Motorfahrrad vom Baujahr 1933 im Excelsior Motorfahrradregister der noch existierenden Fahrzeuge erfasst. Die Ausstattung der Motorfahrräder wurde jetzt stark verbessert, einfache Ausführungen wie beim Fahrrad waren nicht mehr gefragt.

Das Modell Nr. 3 von 1934 hatte durch den Einbau einer Bremstrommelnabe im Vorderrad eine deutliche Verbesserung der Bremswirkung zur Folge.  Das Modell Nr. 4 wurde bei der Luxusausführung mit einem auf sechs Liter vergrößerten, verchromten Tank ausgestattet. 

1934 wurde auch das Modell Nr. 5 mit dem neuen 98 ccm Fichtel & Sachs Motor auf den Markt gebracht. Bisher hatte dieses Modell nur einen 74 ccm Motor mit 1,25 PS Leistung. Mit der Leistung von 2,5 PS des neuen Nasenkolben-Motors (Schnürle Umkehrspülung) waren jetzt Geschwindigkeiten von 35-40 km/h gegenüber bisher ca. 29 km/h möglich.

 


Der stärkere Motor erforderte auch eine Überarbeitung der Fahrgestellkonstruktion. So wurden die Modelle Nr. 6 und Nr. 7 im Jahr 1935 auf den Markt gebracht.

Neben diesen Modellen wurde ab 1935 auch das Modell „Kurmark" produziert. Dieses war mit dem F & S Kickstarter-Motor ausgestattet. Die bisherigen Modelle wurden durch „anradeln" mit den Pedalen gestartet. Tretkurbeln mit Pedalen wurden jetzt durch Fußrasten ersetzt. Damit ging die Entwicklung in Richtung Leichtmotorrad und das elegante Modell „Kurmark“ stellte eine preiswerte Alternative zu den Motorrädern dar.

 


Die Motorradproduktion der Excelsior GmbH begann erst wieder 1935/36 . Ab 1933 wurden in Deutschland Importrestriktionen für ausländische Produkte mit dem Ziel, die deutsche Wirtschaft vom Ausland möglichst unabhängig zu machen, vorgenommen. Daher konnte das Motorradprogramm mit englischen JAP- Motoren und Burman- Getrieben nicht wiederbelebt werden. Die deutschen Motorradhersteller mussten auf einheimische Motorenkonstruktionen zurückgreifen. Die Excelsior GmbH verwendete für ihr neues Motorradprogramm Einbaumotoren der Firma Otto Bark aus Dresden. Die angeblockten Getriebe wurden von der Firma Hurth aus München geliefert. 

Unter der Typenbezeichnung „Roland" mit 200 ccm Zweitaktmotor als Tourenmodell und dem Modell „Landgraf" mit 200 ccm OHV Viertaktmotor als Sportrad wurde ein neues Motorradprogramm in die Produktion aufgenommen. 

Viertakt- Bark- Motoren im Sportmodell mit 350 ccm (16 PS OHV), im Tourenmodell mit 500 ccm (15 PS SV ) und im Sportmodell mit 500 ccm (22 PS OHV) rundeten das Programm ab (OHV=overhaed valves = hängende Ventile, SV=side valves = stehende Ventile).

Der Verkaufserfolg für das neue Motorradprogramm blieb aber aus. Wegen Absatzproblemen musste der Motorradbau der Excelsior GmbH 1938 endgültig eingestellt werden.

 


Mit dem Modelljahr 1938 wurde für die Motorfahrräder ein stärkeres Fahrgestell vorgestellt, bei dem das Tretlager durch exzentrische Lagerung horizontal verstellbar hinter dem Sattelrohr angeordnet war, um somit die Kettenspannung zu regulieren. Dadurch konnte ein Mittelständer genau im Schwerpunkt der Maschine angeordnet werden. So konnte die Maschine absolut sicher aufgestellt werden. Die Geschwindigkeit der Modelle 6 und 7 stieg durch weitere Verbesserungen des Motors auf 60 km/h. 

1938 wurde die Modellpalette zusätzlich durch die kleine Excelsior- Saxonette erweitert. Als Besonderheit hatte dieses Modell einen 60 ccm Radnabenmotor, welcher komplett mit dem Hinterrad von F & S geliefert wurde. Als Rahmenkonstruktion wurde ein Kreuzrahmen verwendet, der gleichzeitig als Tank fungierte. Von diesem Modell wurden bis zum Kriegsbeginn 1939 nur wenige Fahrzeuge hergestellt.

 


Am dem 02.03.1939 trat in Deutschland der Shell- Plan, benannt nach dem Generalbevollmächtigten für das Kraftfahrwesen Oberst Adolf von Shell, in Kraft. Darin wurde eine Typenbegrenzung der in Deutschland hergestellten Motorräder und Automobile festgelegt. Ziele waren die einfachere Wartung und Instandhaltung des Wehrmacht-Fuhrparkes sowie eine effizientere Produktion und eine Vereinheitlichung der Bauteile. Der Shell- Plan gehörte zu den wirtschaftspolitischen Kriegsvorbereitungen, die vor dem II. Weltkrieg getroffen wurden. 

Dadurch wurden die Hersteller erheblich in ihrer Handlungsfreiheit eingeschränkt, ihnen wurde diktiert, in welcher Form und in welcher Auflage sie welche Modelle zu produzieren hatten. Der gesamte Produktionsrahmen wurde somit auf die Anforderungen der Wehrmacht umgestellt. 

Bei Motorrädern wurde die Typenanzahl von 150 auf 30 reduziert. Nach den Festlegungen des Shell- Planes musste die Produktion von Motorfahrrädern bei der Excelsior- GmbH eingestellt werden. 

Es waren von 1930 bis 1939 ca. 6.500 Motorfahrräder und Leichtmotorräder bei Excelsior produziert worden.

 

Die durch die Einstellung der Motorfahrradproduktion frei gewordenen Produktionskapazitäten wurden für die Umstellung auf Rüstungsproduktion genutzt. Es wurden u.a. für die Brandenburger Arado Flugzeugwerke Elektroausrüstungen und Kleinteile für Flugzeuge gefertigt. Im Verlauf des II. Weltkrieges kam es in der Produktion auch zum Einsatz  von  Zwangsarbeitern. 

 

Ein besonderes Kriegsprodukt war die Herstellung einer Lafette für das Maschinengewehr MG 42. Damit wurde die Kampfentfernung von 800 m auf 3000 m - 3500 m gesteigert. Das Foto zeigt die Beschlagcodierung „fsu" für Excelsior- Brandenburg als Hersteller und „NC" für das Baujahr 1944. Die Herstellungsnummer 17052 zeigt, welche enormen Stückzahlen allein in den Excelsior-Werken produziert wurden.