Aus der Geschichte der Brennaborwerke III

Motorräder und Draisinen

Bahnradrennsport war schon in den 1890er Jahren ein Publikumsmagnet. Ab 1890 erfolgte eine Unterscheidung der Rennfahrer in „Flieger“, die eine 1000 m Distanz zurücklegten und „Steher“, die eine Distanz von 10.000 m fuhren. Auf Grund der langen Zeitdauer waren diese Steherrennen nicht so attraktiv für das Publikum.  Um diese Rennen interessanter zu gestalten, wurden Schrittmacher zur Erreichung höherer Geschwindigkeiten eingesetzt.  Zunächst wurden Schrittmachertandems genutzt, die aber schon bald von mehrsitzigen, bis zu sechssitzigen Maschinen abgelöst wurden. Um über die große Distanz von 10 km solche hohen Geschwindigkeiten halten zu können, wurden mehrere Schrittmacherteams, welche sich bei der Führung des Stehers ablösten, eingesetzt. 

Schrittmacher- Sechstuplet 1899


Als die Verbrennungsmotorentechnik es ermöglichte motorgetriebene Schrittmacherfahrzeuge zu verwenden, wurde dies sofort genutzt, denn für die Berufssteherrennfahrer wurde die Bezahlung mehrerer sechssitziger Schrittmacherteams  aus den Preisgeldeinnahmen immer schwieriger.          Mit den motorgetriebenen Schrittmacherfahrzeugen konnte die Geschwindigkeit  wesentlich gesteigert werden und somit wurden die Rennen auch für das Publikum attraktiver gestaltet. Im Jahr 1898 wurden erstmals Benzinmotoren in Schrittmachermaschinen angewendet und 1899 wurden diese dann bei den Weltmeisterschaften in Kanada offiziell zugelassen.

Die Brennabor-Werke verfolgten die Entwicklung im Radrennsport sehr aufmerksam und entschlossen sich zum Bau von motorgetriebenen  Schrittmacherfahrzeugen, als um 1900 Einbaumotoren der französischen Firmen De Dion-Bouton und Aster zur Verfügung standen.   

Bei den frühen Motortandems mussten beide Führungpiloten kräftig mittreten, um ein sicheres Durchlaufen des Motors zu gewährleisten, was eine aufwändige Mechanik zur Übertragung der Pedalbewegung erforderte.  Insbesondere die Gemischbildung für den Verbrennungsmotor mit Oberflächenvergasern und die Geschwindigkeitsregulierung durch Zündungsverstellung waren sehr störanfällig.         


 

 

Ein erstes Brennabor Motortandem mit einem 3 PS Aster- Einzylindermotor und Batteriezündung wurde im Jahr 1900 hergestellt. Die Kühlung erfolgte durch einen großen

Wasserkasten, der zwischen den beiden Piloten montiert war.

Die Verbesserung der Zündanlagen und die Anwendung von Spritzdüsenvergasern,  bei denen das Regulieren der Geschwindigkeit durch eine Veränderung der Menge des Luft-Kraftstoffgemisches mit Hilfe einer Drosselklappe vorgenommen wird, führten zur Anwendung von zweisitzigen Führungsmaschinen, bei denen der Hintermann nicht mehr mittreten musste. 


 

Weitere Verbesserungen der Motorentechnik machten das Mittreten der Besatzung völlig überflüssig und es wurden nun überwiegend einsitzige Schrittmachermaschinen gebaut. Einige Rennfahrer benutzten aber weiterhin verbesserte zweisitzige Schrittmachermotorräder.


Wahrscheinlich wurden durch die Brennabor-Werke bis zum Beginn des I.Weltkrieges Schrittmachermotorräder hergestellt. Diese Maschinen waren Sonderanfertigungen und es sind keine Angaben zu Stückzahlen überliefert. Es ist auch keine Maschine bekannt, die die Zeiten überdauert hat.

Die Erfahrungen im Bau von Schrittmachermotorrädern flossen ab 1902 in die erfolgte Aufnahme der Serienproduktion von Straßenmotorrädern ein. Durch die Schweizer Firma Zedel und die Firma Fafnir aus Aachen wurden Einbaumotoren hergestellt, die auch für die normale Kundschaft zuverlässig zu bedienen waren. Um dem Bedarf der Kundschaft Rechnung zu tragen, wurden zahlreiche Modelle produziert und angeboten. Die Brennabor-Werke gehörten zu den Pionieren des deutschen Motorradbaues.

 



Heute sind nur noch einige wenige Brennabor-Motorräder  in Museen und bei privaten Sammlern vorhanden.  


 

 

 

 

Die Motorradproduktion wurde  in den Brennabor- Werken nach dem I.Weltkrieg zugunsten der Produktion von Personenkraftwagen eingestellt. Die PKW- Produktion begann 1906, die Motoren wurden von der Firma Fafnir aus Aachen bezogen, da die Brennabor-Werke zunächst noch keine eigenen Motoren herstellen konnten. Auch Achsen, Zahnräder und weitere Teile wurden bis zum Aufbau eigener Produktionskapazitäten bei anderen Herstellern eingekauft.

Komplett selbst entwickelte Fahrzeuge und Motoren wurden ab 1910 gefertigt. 

Im Jahr 1905 wurden Fahrrad- und Motordraisinen für den Bahnbetrieb ins Produktionsprogramm aufgenommen.

 


Eine Besonderheit stellt die „Brennaborette“ dar, ein dreirädriges Motorfahrzeug,  welches von 1907 bis 1912 produziert wurde. Mit zahlreichen Aufbauvarianten stellte sie das Bindeglied zwischen Motorrädern  und den noch sehr teuren PKW dar. Die weltweit einzige erhaltene Brennaborette befindet sich als Leihgabe des „Deutschen Technikmuseums Berlin“ in der Brennaborausstellung des Industriemuseums Brandenburg. Dieses Fahrzeug wurde vom damaligen „Museum für Verkehr und Technik Berlin“ in New York aufgespürt und konnte durch Ankauf wieder nach Deutschland geholt werden.  


Das Bild zeigt den Montagesaal der Brennaborwerke um 1906. Im Vordergrund werden zwei Schrittmachermotorräder montiert und in der Bildmitte erkennt man die Fertigung zweier Eisenbahndraisinen.