Von der Metallgießerei zur Fahrradfabrik

Die enormen geschäftlichen Erfolge der Brennabor-Werke im Bereich der immer weiter aufstrebenden Fahrradfabrikation veranlassten offensichtlich weitere Brandenburger Unternehmer, wie z. B. den Kaufmann Alexander Jacobi, sich ebenfalls mit der Fahrradherstellung zu befassen. Er wird im Brandenburger Adressbuch seit 1875 in der Bauhofstraße 15/15a als Teilhaber der „Apparate-Bauanstalt und Metallwarenfabrik Friedrich & Jacobi“ ausgewiesen.

Ab 1880 wird diese Fabrik als „Kupferwarenfabrik und Messinggießerei Alexander Jacobi“  bezeichnet, 1881 erfolgt eine Erweiterung durch eine allgemeine Metallgießerei. Im Jahr 1882 wird eine Verkaufsstelle (Detailverkauf) Ecke Steinstraße/Sankt-Annenstraße genannt, in der die zahlreichen Produkte der Firma vertrieben werden. Dazu gehörten blauemaillierte, eisenverzinnte und gusseisenemaillierte Kochgeschirre, Kupfer-und Messingkessel, Eisenplätten (Bügeleisen), Messinghähne sowie Rotguss- und Messinggussgegenstände auf Wunsch. 

1884 werden Wasseranlagen und Dampfheizungen sowie Gasanlagen ins Programm aufgenommen.

Die Detailverkaufsstelle wird 1889 in die Sankt-Annenstraße 26 verlegt und ab 1893 als „Magazin für Küchengeräte“ bezeichnet. 1894 wird dieses Geschäft dann an Richard Seifert abgegeben. Auch Gaskraftmaschinen und Petroleummotoren gehören ab 1894 zum Programm der Firma.

Eine Besonderheit stellt die Übernahme des Amtes als Eichmeister der Stadt Brandenburg ab 1883 durch Alexander Jacobi dar, seine Aufgabe war die regelmäßige Überwachung und Prüfung (Eichung) von Maßen und Gewichten in Handel und Gewerbe. Dazu wurden die geprüften Maße und Gewichte mit einem Eichsiegel versehen.

Brandenburger Anzeiger vom 31.05.1895


Adressbuch Brandenburg 1897

Adressbuch Brandenburg 1898

Die stetigen Geschäftserweiterungen machten dann 1894 den Umzug der Firma zum Grundstück Bauhofstraße 8 notwendig (heute Bauhofstraße 23, Optikergeschäft Holm). Hier beginnt ab 1896  der Fahrradbau als neuer Geschäftszweig. Zunächst wurde die Fahrradfabrikation als „Abtheilung II: Alexander Fahrräder“ bezeichnet. Ab 1897 ist dann die Bezeichnung „Alexander Fahrradwerk-A. Jacobi, Brandenburg a. H.“ zu finden. Die zur Fahrradproduktion erforderlichen spezialisierten Arbeitskräfte wurden offensichtlich aus den in Brandenburg bereits  bestehenden Brennabor-Werken, die seit 1882 Fahrräder herstellten, abgeworben. Der Inhaber der Brennabor-Werke, Carl Reichstein, beklagt in seinen Lebenserinnerungen diese Abwerbepraxis durch die ab Mitte der 1890er Jahre entstehenden neuen Fahrradfabriken in Brandenburg.

Adressbuch Brandenburg 1899

Adressbuch Brandenburg 1900


Brandenburger Anzeiger 10.02.1897

Brandenburger Anzeiger  30.07. 1897

Brandenburger Anzeiger 20.08.1897

Brandenburger Anzeiger 12.09.1898

Brandenburger Anzeiger 15.10.1898


Das Alexander-Fahrradwerk beteiligte sich im April 1897 erfolgreich an der zweiten Berliner Fahrrad-Ausstellung und bewarb das Alexander-Fahrrad als „feinstes und bestes Fahrrad der Saison“.

An der Fahrradausstellung vom 3.-9.11. 1898 in Leipzig beteiligte sich das Alexander-Fahrradwerk ebenfalls. In Annoncen von 1899/1900 wird sogar für „Deutschlands Musterrad“ geworben.



Am 23.12.1898 wird die Aktiengesellschaft „Armaturen-Fabrik und Alexander-Werk A-G, vorm. A. Jacobi“ gegründet. Das Grundkapital dieser Gesellschaft betrug 500.000 Mark. Der Fabrikbesitzer A. Jacobi erhielt für sein in die Gesellschaft eingebrachtes Geschäft 206 Aktien zu je 1000 Mark und seine Ehefrau Elise Jacobi 291 Aktien zu je 1000 Mark für das in die Gesellschaft eingebrachte Grundstück Bauhofstraße 8. Die Beschäftigtenzahl lag bei Gründung der AG bei etwa 25-30 und betrug 1899 etwa 160-170. 

Durch die Gründung dieser Aktiengesellschaft sollten vermutlich die bis zu diesem Zeitpunkt aufgelaufenen Schulden der Armaturen- und Fahrradfabrik infolge des starken Umsatzrückganges durch die einsetzende Fahrradkrise aufgefangen werden. Der drohende Konkurs der Firma konnte aber durch diese Maßnahme letztlich nicht verhindert werden.

 



 

 

Der Generalvertreter der Alexander- Fahrradwerke, Franz Tatatzky, warb am 13.04.1899 und am 29.05.1899 im Brandenburger Anzeiger für die Fahrräder der Firma und bot gleichzeitig Fahrunterricht auf  einem Zimmerlernapparat und einer Radfahrlehrbahn an.


Im Jahre 1897 setzte in ganz Deutschland, bedingt durch die Neugründung von über 40 kleineren und mittleren Fahrradfabriken im Zeitraum 1895/96, eine Absatzkrise ein. Die Gesamtproduktion von Fahrrädern verdoppelte sich in diesem Zeitraum. Hinzu kamen massenhaft billige Fahrräder aus den USA, die nur etwa die Hälfte der deutschen Fahrräder kosteten. Diese Absatzkrise dauerte bis 1901 an und führte zum Konkurs zahlreicher kleiner und mittlerer Fahrradfabriken, die zumeist in diese Krise hinein gegründet worden waren.

Nicht mehr nachvollziehbar sind die Gründe für die Arbeitskräftesuche der Alexander-Fahrradfabrik im Zeitraum von März 1900 bis Februar 1901.

 

Brandenburger Anzeiger 16.03.1900

Brandenburger Anzeiger 07.04.1900

Brandenburger Anzeiger 07.04.1900

Brandenburger Anzeiger 12.04.1900

Brandenburger Anzeiger 12.04.1900

Brandenburger Anzeiger 20.04.1900

Brandenburger Anzeiger 24.09.1900

Brandenburger Anzeiger 28.02.1901


Produktionszahlen der Alexander-Fahrradfabrik sind nicht überliefert. Lediglich eine Zeitungsnotiz von 1904 gibt einen Hinweis auf die Größenordnung der Produktion, in dieser wurde ein Alexander-Fahrrad mit der Nummer 13.883 als gestohlen gemeldet.

Unter diesen Umständen wurde am 27. Juni 1901 das Konkursverfahren über das Vermögen der „Armaturen-Fabrik und Alexander-Fahrrad-Werk A-G, vorm. A. Jacobi“, eröffnet.  Am 17.März 1904 wird die Firma aus dem Firmenregister gelöscht. Das Konkursverfahren dauerte aber noch bis 1906. 

Brandenburger Anzeiger 27.07.1901

Brandenburger Anzeiger 22.08.1901


Brandenburger Adressbuch 1911

Elise Jacobi wird nach dem Konkurs in Werbeannoncen als Mitinhaberin der neu gegründeten Firma „E. Jacobi & Co. ,Bauhofstraße 8“ genannt und betrieb hier das ursprüngliche Geschäft, „Armaturenfabrik und Installationsbetrieb“, weiter.

Die Gebäude der Fahrradproduktion, wurden 1903 von den „Excelsior-Werken“ übernommen. Ob das auch auf die Produktionseinrichtungen zutrifft, ist nicht bekannt. Genutzt wurden diese Räumlichkeiten durch die Excelsior-Werke bis 1907, dann wurde eine neue Fabrik in der Wilhelmsdorfer-Landstraße in Betrieb genommen.

Das Grundstück Bauhofstraße 8 wurde später von den „Berlin-Neuroder-Kunstanstalten“ übernommen, die dort ihr „Werk II, Papierverarbeitung“, einrichteten Das „Werk I“ dieser Firma, zu DDR-Zeiten „VEB Verpackungsmittel“, befand sich auf der gegenüberliegenden Straßenseite.

Im Zweiten Weltkrieg wurden die Gebäude auf dem Grundstück Bauhofstraße 8 stark zerstört, in den 1960er Jahren wurden hier Wohnblocks errichtet. Nur die Villa Bauhofstraße 23 (heute Optiker Holm) zeugt heute noch von dem einstigen Fabrikgrundstück, welches sich bis zum Mühlengraben erstreckte.

 


 

Es ist nicht bekannt, ob ein Alexander-Fahrrad die Zeiten überstanden hat. Im Brandenburger Fahrradmuseum ist ein Alexander-Steuerkopfschild ausgestellt.